Freiburger Schriften zur Hydrologie
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Band/volume 23: Koch A. (2007):
Modellierung der hydrodynamischen Wechselwirkungen einer Flusslandschaft
Die EU-Wasserrahmenrichtlinie führt neben ihrer Forderung nach einem guten Zustand der europäischen Gewässer und einem damit verbundenen engen Zeitrahmen eine Reihe neuer Sicht- und Herangehensweisen ein, welche bislang in Deutschland in dieser Form nicht verwendet worden sind. Hierzu gehören unter anderem eine einzugsgebietsweise Betrachtung der Gewässer und eine Formulierung von Zielstellungen auf Basis ökologischer Parameter.
Vor allem die Verwendung von ökologischen Parametern führt zu einem Bedarf an neuen, fachgebietsübergreifenden Werkzeugen zur Beurteilung von Maßnahmen innerhalb der Flusslandschaft. Die bislang getrennte Betrachtung der Dynamik von Grund- und Oberflächenwasser sowie der ökologischen Zusammenhänge der von ihnen abhängigen Landökosysteme ist daher aufzugeben.
Ziel der hier vorgestellten Arbeit ist die Schaffung eines Expertensystems, welches in der Lage ist, alle wesentlichen hydrodynamischen Prozesse in der Flusslandschaft in der hierfür benötigten hohen räumlichen Auflösung abzubilden und anhand abiotischer Indikatoren eine Beurteilung des Einflusses von Maßnahmen auf den angestrebten guten ökologischen Zustand der Fließgewässer zu ermöglichen. Aufgrund der Komplexität der Wirkungsgefüge innerhalb der Flusslandschaft wurde hierzu ein modularer Aufbau des Systems gewählt. Dieser Aufbau erlaubt es, zu den jetzt schon eingebrachten Indikatoren neue wichtige Indikatoren hinzuzufügen, die zukünftig aus dem Dialog der beteiligten Fachrichtungen entwickelt werden.
Das geschaffene Expertensystem besteht aus diesem Grund aus drei Komponenten: einer Basisplattform als Grundlage der Integration unterschiedlicher Modellansätze, einer hydrodynamischen Komponente zur integrativen Modellierung der Wechselwirkungen zwischen Grund- und Oberflächenwasserdynamik und einer hierauf aufsetzenden Komponente zur Auswertung der Modellergebnisse und zur Ableitung abiotischer Indikatoren der Landschaftsentwicklung.
Die erstellte Basisplattform SEDAT-C besteht im Kern aus einem Rahmenwerk zur Bereitstellung der Infrastruktur und der Verwaltung von Modulen. Alle darüber hinausgehenden Funktionalitäten sind in einem Baukastensystem aus einzelnen, aufgabenbezogenen Modulen implementiert. Diese stellen die Infrastruktur für die Datenhaltung, -darstellung und -bearbeitung zur Verfügung. Darüber hinaus existiert eine Abstraktionsschicht für die Kommunikation zwischen den einzelnen Komponenten des Expertensystems.
Auf der Infrastruktur der Basisplattform baut das Expertensystem WETLANDS auf. Es besteht seinerseits wieder aus einzelnen Modulen für das Pre- und Postprocessing sowie der Kontrolle der gekoppelten Simulation und der Generierung der abiotischen Indikatoren. Das
Preprocessing findet im Modul MESH statt. Hier werden zeitaufwendige Rechenoperationen durchgeführt, um die spätere Simulation zu beschleunigen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um die Erstellung von Parametersätzen zur Beschreibung der räumlichen Abhängigkeiten zwischen den Berechnungsnetzen des Oberflächen- und Grundwassermodells.
Dies ist notwendig, da das Expertensystem unterschiedliche räumliche Diskretisierungen zwischen den beiden Modellen erlaubt. Die Kontrolle der gekoppelten Simulation von Grund- und Oberflächenwasserdynamik und die Berechnung der zwischen beiden Modellen
ausgetauschten Wassermenge erfolgt im Modul SIM. Hierfür wurden zwei existierende numerische Finite-Elemente-Modellsysteme (Software), die sich in der Ingenieurpraxis sehr bewährt haben, in das Expertensystem übernommen.
Die Modellsysteme – MEADFLOW für den zweidimensionalen Oberflächenabfluss und FEFLOW für den dreidimensionalen Grundwasserabfluss – wurden in selbst entwickelte Shell-Programme eingebunden, über welche eine Kontrolle und ein Datenaustausch mit beiden Modellen möglich ist, ohne an den sehr komplexen Modellen programmtechnische Veränderungen vornehmen zu müssen. Im Oberflächenwasser kommt hierbei ein zweidimensionaler Ansatz zum Einsatz, der die geforderte räumliche Auflösung der Modellergebnisse liefert. Auf diesen setzt dann wiederum das Modul AIL auf, welches für die Auswertung und Generierung abiotischer Indikatoren der Landschaftsentwicklung zuständig ist.
Die Anwendbarkeit des entwickelten Expertensystem wurde an zwei Modellgebieten erprobt und nachgewiesen. Im ersten Modellgebiet an der Oberweser erfolgte eine Modellkalibrierung und -validierung anhand aufgezeichneter Daten. Hierfür wurden mehrere Beobachtungsbrunnen im Modellgebiet mit Datenloggern und Messsonden ausgestattet. Im zweiten Modellgebiet an der mittleren Elbe standen für die Validierung Modellanwendungen für die Oberflächen- und Grundwasserströmung aus einer unabhängigen Modelluntersuchung einer Deichrückverlegungsmaßnahme zur Verfügung. Diese Anwendungen wurden für die eigenen
Untersuchungen modifiziert und in das Expertensystem eingebracht.
Das Szenario der Deichrückverlegung im zweiten Modellgebiet wurde anschließend für die beispielhafte Generierung von abiotischen Indikatoren der Landschaftsentwicklung verwendet. Hierzu wurde ein neuer Ansatz entwickelt und erprobt. Anhand mehrerer Modellrechnungen in Kombination mit einer gemessenen langjährigen Zeitreihe täglicher Abflüsse und Wasserstände wurden flächendetaillierte Indikatoren der Dynamik des Oberflächenabflusses ebenfalls auf Tagesbasis generiert. Die Parameter der Generierung und die Indikatoren selbst richten sich hierbei stärker an ökologischen als an wasserwirtschaftlichen Fragestellungen aus.
In der Schlussfolgerung wird schließlich der sich aus dieser Arbeit ergebende weitere Forschungsbedarf diskutiert. Dieser ergibt sich aus der notwendigen Verknüpfung der modelltechnischen Grundlagen, die in dieser Arbeit entstanden, mit naturräumlichen Beobachtungen. Hierzu ist zum Beispiel eine aussagekräftige mathematische Beschreibung der Wirkungszusammenhänge zwischen einzelnen Vegetationsarten und den ermittelten Indikatoren wie der Überflutungshäufigkeit erforderlich. Dies wird durch einen fachgebietsübergreifenden Dialog zwischen Wasserwirtschaft und Ökologie erfolgen müssen.
Ebenfalls möglich ist die modelltechnische Erweiterung des Expertensystems in Richtung Wasserbilanz des Flusseinzugsgebiets, Feststoffeintrag in die Gewässer, Feststofftransport und Wasserqualität in der Flusslandschaft. Für das Hochwassermanagement kann das Expertensystem durch Verknüpfung der vorhandenen Strömungsmodelle mit einem hochaufgelösten hydrologischen Modellsystem und mit Modellen der Niederschlagsvorhersage in Richtung Hochwasservorhersagemodell weiterentwickelt werden.
[ english summary ]
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