Freiburger Schriften zur Hydrologie
|
[ << Band/volume 16 ] [
Freiburger Schriften zur Hydrologie ] [
>> Band/volume 18 ]
Band/volume 17: ARMBRUSTER V. (2002):
Grundwasserneubildung in Baden-Württemberg
Das
Ziel der vorliegenden Arbeit war die Entwicklung einer Methode zur Bestimmung
der langjährigen mittleren Grundwasserneubildung aus Niederschlag
für großskalige Untersuchungsgebiete. Die Methode sollte die
Einflüsse von Klima, Landnutzung, Böden, Grundwasser und Hydrogeologie
auf die für die Grundwasserneubildung entscheidenden Prozesse der
Verdunstung und Abflussbildung angemessen berücksichtigen. Ein Schwerpunkt
war die Bestimmung der Grundwasserneubildung für Festgesteinsgebiete
mit lateralem Abfluss. Dies beinhaltete die Ableitung eines verbesserten
Ansatzes zur Beschreibung der schnellen lateralen Abflusskomponenten in
der Makroskala. Die Methode wurde in Baden- Württemberg für
die Periode 1961-1990 angewandt. Die Grundwasserneubildung GWN wird nach
der Gleichung:
GWN = (N- V). (Qbas/Qges)
berechnet, indem vom Niederschlag N zunächst die Verlustgröße
Verdunstung V abgezogen wird. In einem zweiten Schritt wird die Verlustgröße
der schnellen lateralen Abflusskomponenten berücksichtigt, indem
der resultierende Gesamtabfluss mit dem Quotienten Basisabfluss/Gesamtabfluss
Qbas/Qges multipliziert wird.
Mit dem neu entwickelten detaillierten Verdunstungsmodell TRAIN-GWN (TRAnspirationINterzeption-GrundWasserNeubildung)
wurden für gesamt Baden-Württemberg einheitlich Niederschlag
und Verdunstung berechnet. Das Modell basiert auf dem Verdunstungsmodell
TRAIN (MENZEL 1997a, 1999). TRAIN-GWN enthält konzeptionelle und
physikalisch basierte Module, arbeitet in Tagesschritten auf einem 500
m x 500 m Raster und simuliert Verdunstung und Sickerung aus dem Boden.
Im Folgenden werden die beinhalteten Module aufgeführt. Das Schneemodul
basiert auf dem Tag-Grad-Verfahren. Das Bodenmodul gemäß dem
HBV-Einzugsgebietsmodell und kapillarer Aufstieg entsprechend der Bodenkundlichen
Kartieranleitung (AG BODEN 1994) wurden neu integriert. Die ebenfalls
als Komponente neu aufgenommene Interpolation meteorologischer Eingangsdaten
basiert auf einer Kombination von Nachbarschaftsbeziehung und Höhenabhängigkeit.
Strahlungsberechnung, Interzeptionsberechnung nach der Theorie des latenten
Wärmeübergangs gekrümmter Wasserflächen und Evapotranspiration
gemäß dem Penman-Monteith-Ansatz sind stark physikalisch basiert.
Es wurden umfangreiche Sensitivitätsanalysen durchgefiihrt. Die mittlere
jährliche Grundwasserneubildung reagiert sensitiv gegenüber
verschiedenen Landnutzungsparametern, insbesondere dem Blattflächenindex,
und gegenüber den beiden Bodenparametern. Bei den meteorologischen
Eingangsdaten ist vor allem der Niederschlag sehr sensitiv. Die Ergebnisse
unterstreichen den Übersichtscharakter der langjährigen mittleren
Grundwasserneubildung, der in den Eingangsdaten, jedoch nicht in der Methode
begründet ist.
Für Acker und Grünland wurde das Modell an gemessenen Werten
von Verdunstung und Grundwasserneubildung eines wägbaren und 20 nicht
wägbarer Lysimeter überprüft. Dabei wurde eine Schätzfunktion
zur Regionalisierung des empirischen Bodenparameters BETA abgeleitet und
die Güte der Grundwasserneubildungssimulation auf Wochen- und Monatsbasis
bewertet. Die Ergebnisse bestätigen das Bodenmodulkonzept, das Sickerung
vor Erreichen der maximalen Bodenfeuchte zulässt. Es konnte sowohl
die Jahressumme der Grundwasser- neubildung ohne systematische Differenz
mit einem mittleren Abweichungsbetrag von 8%, als auch die innerjährliche
Variation gut wiedergegeben werden. Ein Vergleich der Verdunstung mit
Berechnungsergebnissen des Modells VEKOS (KLÄMT 1988) zeigt zwar
eine gute Übereinstimmung der Jahressummen, jedoch erhebliche Abweichungen
im Winterhalbjahr, die wahrscheinlich den Grund darin haben, dass TRAIN-GWN
die Bodenevaporation nicht explizit simuliert.
Weiterhin wurde TRAIN-GWN an gemessenen Abflüssen von zehn vorwiegend
bewaldeten, in den Mittelgebirgen liegenden Pegeleinzugsgebieten validiert.
Die langjährigen Abflüsse werden vom Modell systematisch um
8% überschätzt. Ein Vergleich von Gebietsverdunstung und -niederschlag
mit Werten nach Verfahren des Hydrologischen Atlasses von Deutschland
ergab, dass die Verdunstung von TRAIN-GWN durchschnittlich 5% höher
liegt. Der Niederschlag zeigt zwar keine systematische Abweichung, differiert
in einzelnen Gebieten jedoch um bis zu 7%. Dies zeigt die Schwierigkeit
der Niederschlagsermittlung im Gebirge, die bei der Berechnung der Grundwasserneubildung
eine bedeutende Fehlerquelle darstellt. Die Ergebnisse deuten auf eine
leichte systematische Überschätzung des Niederschlags hin.
Die räumliche Verteilung der langjährigen mittleren Verdunstung
ist geprägt von den Einflussfaktoren Klima, Landnutzung, Böden
und Grundwasser. Der Mittelwert beläuft sich auf 555 mm, für
Acker und Grünland beträgt er 533 mm, für Wald 635 mm.
In Gebieten mit schnellen lateralen Abflusskomponenten wird diese Verlustgröße
mit Hilfe des langjährigen mittleren Quotienten Qbas/Qges beschrieben.
Dabei wurde der Basisabfluss mit einem modifizierten Wundt/Kille-Verfahren,
dem Demuth-Verfahren, aus der Abflussganglinie ermittelt. Der damit bestimmte
Basisabfluss zu Niedrigwasserzeiten ist nicht gleichzusetzen mit Basisabfluss,
der sich durch Herkunftsraum und Fließweg definiert. Im Testeinzugs
gebiet der Brugga im kristallinen Hochschwarzwald beispielsweise setzt
er sich neben dem Festgesteinsgrundwasser zusätzlich aus langsamem
Hanggrundwasser, dem Zwischenabfluss, zusammen. Da das gewählte Demuth-Verfahren
auf Abflussdaten basiert, stand ein genügend großes Datenkollektiv
zur Regionalisierung des Quotienten mit Hilfe der multiplen linearen Regression
zur Verfügung. Die ermittelten Quotienten der 105 Testeinzugsgebiete
bewegen sich zwischen 16% und 80% Basisabflussanteil und sind skalenunabhängig.
Das Regressionsmodell wurde an einem Kalibrierungsdatensatz von 70 Einzugsgebieten
und deren Gebietsmerkmalen entwickelt. Es umfasst elf Gebietsparameter,
die zur Beschreibung der Abflussbildung plausibel sind. Die Merkmale charakterisieren
Böden, Geologie, Hydrogeologie und Gewässernetzdichte. Niederschlags-
und Reliefparameter waren statistisch nicht signifikant. Die hohe Güte
des Modells mit einem Bestimmtheitsmaß von 0,76 konnte an einem
unabhängigen Validierungsdatensatz von 35 Einzugsgebieten mit einem
Bestimmtheitsmaß von 0,74 bestätigt werden.
Es erfolgte eine Raumgliederung Baden- Württembergs in Gebiete ohne
schnelle laterale Abflusskomponenten, vornehmlich gut durchlässige,
reliefarme Lockergesteinsbereiche, und Gebiete mit lateralen Komponenten.
Letztere wurden in 1696 Einzugsgebiete untergliedert, mit deren Gebietsmerkmalen
Qbas/Qges regionalisiert wurde. Die räumliche Verteilung von Qbas/Qges
spiegelt die naturräumlichen Unterschiede Baden- Württembergs
plausibel wider.
Die Grundwasserneubildung ergibt sich aus der Verknüpfung des langjährigen
mittleren Gesamtabflusses mit dem regionalisierten Qbas/Qges. Niederschlag
und Qbas/Qges prägen stark die großräumige Variabilität
der Grundwasserneubildung, die Verdunstung und deren Einflussfaktoren
hingegen die kleinräumige. Der Mittelwert in Baden- Württemberg
beträgt 237 mm, 86% der Fläche weisen Werte zwischen 50 und
400 mm auf. TRAIN-GWN kann auf der hohen zeitlichen Auflösung den
innerjährlichen Verlauf und die Neubildung von Einzeljahren bereitstellen.
Letztere variieren erheblich, so dass der Mittelwert nur als Näherung
rur Einzeljahre betrachtet werden kann.
Die Kombination eines detaillierten Verdunstungsmodells mit dem langjährigen
mittleren Quotienten Qbas/Qges stellt einen neuen Ansatz zur Bestimmung
der Grundwasserneubildung aus Niederschlag dar. Er beinhaltet eine verbesserte
Methode zur Berücksichtigung schneller lateraler Abflusskomponenten
in der Makroskala. Sie stützt sich auf zahlreiche verfügbare
Gebietsmerkmale, deren Relevanz für die Abflussbildung gegeben ist.
Das Verfahren ist sowohl in Locker- als auch in Festgestein anwendbar.
Mit seiner Anwendung in Baden-Württemberg liegt die Grundwasserneubildung
im gesamten Land erstmals flächendeckend nach einheitlicher Methode
vor. Das Verfahren bietet sich für zahlreiche wasserwirtschaftliche
Fragestellungen an. Die langjährige mittlere Grundwasserneubildung
dient als Planungsgrundlage für nachhaltige Ressourcennutzung, Monatswerte
als Eingangsdaten für instationäre Grundwassermodelle. Mit dem
Ansatz können Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Grundwasserneubildung
und deren innerjährliche Verteilung abgeschätzt werden.
[ english summary ]
PDF-Download (5,3 MB)
|