Freiburger Schriften zur Hydrologie
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Band/volume 15: STAHL K. (2001):
Hydrological Drought - a Study across Europe
Das Auftreten von Dürreperioden in verschiedenen Regionen Europas
in den 80er und 90er Jahren sowie die Vorhersagen verstärkter hydrologischer
Extreme bei einer Klimaänderung haben die Themen Trockenheit und
Wassermangel wieder stärker in den Blickpunkt gerückt. Als eine
der ersten europaweiten hydrologischen Untersuchungen beschäftigte
sich das EUProjekt ARIDE (Assessment of the Regional Impact of Droughts
in Europe), in dessen Rahmen die Forschungsarbeiten zu dieser Dissertation
durchgeführt wurden, mit verschiedenen Aspekten des Themenkreises.
Die hier vorgestellte Arbeit behandelt die räumlich-zeitlichen Ausprägungen
hydrologischer Trockenperioden sowie deren meteorologische Ursachen in
Europa. Ein besseres Verständnis der großräumigen Prozesse
ist Voraussetzung sowohl für die direkte Vorhersage von Trockenperioden
als auch für die nachhaltige Wasserbewirtschaftung auf überregionaler
Ebene.
Mittlere Abflüsse von über 600 Pegeln aus der FRIEND-Datenbank,
die eine gemeinsame Zeitreihe von 1962 bis 1990 umfassen, stellen die
Datengrundlage für die Untersuchung dar. Das Untersuchungsgebiet
umfasst verschiedene Klimazonen und Naturräume in West-, Nord-, Mittel-
und Osteuropa sowie Spanien. Dementsprechend vielfältig sind auch
die Abflussregimes und das jahreszeitliche Auftreten von Niedrigwasser.
Um der daraus resultierenden hydrologischen Vielfalt gerecht zu werden,
wurden zwei verschiedene Ereignistypen aus den Abflusszeitreihen gewonnen:
Hydrologische Dürre, definiert als Unterschreitung eines konstanten
Schwellenwertes, und Abflussdefizite, definiert mittels eines neuen variablen
Schwellenwertkonzeptes. Der variable Schwellenwert stellt hierbei einen
Jahreszyklus der zu erwartenden Niedrigwasserabflüsse dar und bestimmt
somit relative Niedrigwasserperioden gemessen am typischen Jahresgang
des Abflusses.
Durchgeführte Zeitreihenanalysen erlaubten die Charakterisierung
des zeitlichen Persistenzverhaltens und der Stationarität der Trockenperioden
im Untersuchungsraum. Dabei lassen sich regionale Unterschiede im Persistenzverhalten
zum Teil mit vorherrschenden Einzugsgebietseigenschaften erklären.
Trends zu stärkeren und anhaltenderen Trockenperioden von 1962 bis
1990 konnten für Spanien, Südostengland und die Slovakei festgestellt
werden, wohingegen insbesondere der Norden und Osten Europas eher Trends
zu schwächeren und kürzeren Trockenperioden zeigt. Eine weitere
explorative Untersuchung des Datensatzes behandelte die räumlich-zeitliche
Dynamik der Trockenperioden im Spiegel der synoptischen meteorologischen
Situation. Mittels einer neuen Visualisierungsanwendung zur zeitlichen
Animation von täglichen Karten der Bodenluftdruckverteilung und der
farbcodierten Abflussbedingungen konnte eine starke Reaktion der Hydrologie
auf Veränderungen im Zirkulationsgeschehen gezeigt und analysiert
werden. Die detaillierte Beschreibung der räumlich ausgeprägten
europäischen Trockenperioden Anfang der 60er, Mitte der 70er und
Ende der 80er Jahre demonstriert sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede
bezüglich der Ursachen und der Dynamik der Ereignisse.
Mittels einer Clusteranalyse wurden die 602 Abflussdefizit-Zeitreihen
in 19 homogene Gruppen klassifiziert. Durch die starke räumliche
Ausprägung von Trockenperioden ergaben sich hierbei räumlich
zusammenhängende Regionen, obwohl die Klassifikation rein statistische
Zusammenhänge des simultanen Auftretens der Abflussdefizitereignisse
an den Pegeln verwendet. Um die zeitliche Entwicklung der Defizitereignisse
innerhalb einer Region zu beschreiben, wurde ein regionaler Index, der
sich aus den einzelnen Pegelreihen errechnet, eingeführt. Dieser
regionale Abflussdefizitindex (RDI) erlaubte eine erste Bewertung der
unterschiedlichen regionalen Ausprägungen von Trockenperioden. Regionen
wie Spanien, Südostengland und Norddeutschland tendieren zur Ausbildung
langer persistenter Ereignisse, während der Index in anderen Regionen
stärker schwankt.
Desweiteren bildet der regionale Index eine geeignete Basis zur Untersuchung
des Einflusses synoptischer Meteorologie auf regionale Trockenperioden.
Starke Anomalien der relativen Auftrittshäufigkeiten der Europäischen
Großwetterlagen während Perioden mit starker Trockenheit demonstrieren
die Stärke des schon bei der Visualisierungsstudie vermuteten Zusammenhangs.
Die 30 Großwetterlagen (CP) wurden daraufhin bezüglich ihrer
saisonalen Assoziation mit Trockenperioden gruppiert, so dass die erhaltene
neue Zeitreihe der Großwetterlagengruppen eine geeignete Eingabegröße
für ein neues Modell zur Simulation des regionalen Abflussdefizitindizes
darstellt. Für die Modellierung wurde ein rekursiver Ansatz gewählt,
der den RDI durch denjenigen des vergangenen Tages und eine Modifikation
durch das Auftreten einer Großwetterlage darstellt. Nach Eichung
derModellparameter an einer 17- jährigen Kalibrierperiode konnte
für die meisten Regionen eine gute Simulation der beobachteten Werte
erreicht werden. Ein Vergleich saisonal aggregierter Werte - für
hydrologische Trockenperioden eine durchaus interessante Zeitskala - schneidet
sogar noch besser ab.
Im letzten Teil der Arbeit wurden zwei mögliche Anwendungen des CP-RDI
Modells getestet. Zum einen wurden historische Trockenperioden seit Beginn
der Großwetterlagenzeitreihe im Jahr 1881 rekonstruiert. Zum anderen
wurden die Eigenschaften regionaler Abflussdefizitserien unter veränderten
Klimabedingungen, die durch ein Großwetterlagenszenario dargestellt
wurden, simuliert. Große Ereignisse der rekonstruierten langen Zeitreihen
konnten durch einen Vergleich mit dokumentierten historischen Dürreereignissen
erfolgreich validiert werden. Dies erlaubt eine erste vorläufige
Einschätzung, welchen Einfluss Änderungen der Häufigkeit
und Andauer bestimmter Großwetterlagen auf hydrologische Trockenperioden
haben. So zeigt sich die Änderung zu längeren Wetterlagenandauern
ab Mitte der 60er Jahre in einer Veränderung der Variabilität
der RDI-Zeitreihen zu längeren Trockenperioden, insbesondere in Norddeutschland
und Südskandinavien. Weiterhin bestätigt sich der vielfach genannte
Trend zu trockeneren Bedingungen in Spanien und feuchteren Bedingungen
im Nordwesten Europas als Folge erhöhter zonaler Zirkulation im Winter
in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Die Reaktion
auf ein Szenario, das auf diesen in der Literatur dokumentierten Veränderungen
aufbaut, unterstützt die Einschätzung anderer Untersuchungen.
Europa wird wahrscheinlich größtenteils feuchteren Bedingungen
ausgesetzt sein, jedoch können trotzdem die Spitzenwerte regionaler
Abflussdefizite durch anhaltendere Trockenperioden erhöht werden.
Dies gilt insbesondere für Regionen, die durch ihre klimageographische
Lage (Spanien) oder eine große Grundwasserbeeinflussung des Abflusses
(Südostengland, Norddeutschland) zur Ausbildung langer persistenter
Trockenperioden tendieren.
Aus der Untersuchung kann gefolgert werden, dass der Einfluss von Trockenperioden
auf die Wasserressourcen in einigen Regionen Europas durchaus ernstzunehmen
ist. Somit sollte dringend eine Verbesserung der Vorhersage und Planungsgrundlagen
für ein nachhaltiges Management der Wasserressourcen während
Trockenperioden angestrebt werden. Der gezeigte direkte Einfluss synoptisch
meteorologischer Situationen stellt hierfür vielversprechende Ansätze
zur Verfügung.
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