Freiburger Schriften zur Hydrologie

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Band/volume 7: YIFENG CUI (1997):

Different Approaches towards an Understanding of Runoff Generation

Die vorliegende Arbeit will einen Beitrag zum Verständnis der Abflußbildung leisten. In den Untersuchungen wurden zwei Methodentypen zur Trennung des Abflusses gleichzeitig angewandt. Die erste Methode besteht in der Anwendung eines Ganglinienseparationsmodells, das auf dem traditionellen graphische Prinzip aufbaut. Den zweiten methodischen Ansatz bildet eine experimentelle Untersuchung mit Hilfe von Sauerstoff-18 und hydrochemischen Tracern. Zielsetzung war es, zu quantitativen Schätzungen über dasjenige Fließwasser zu gelangen, das aus verschiedenen Quellen im Laufe des Hydrologischen Jahres 1995 zum Abfluß kam. Darüber hinaus sollten die Kenntnisse über Verweilzeiten und Speichervolumen im Einzugsgebiet verbessert werden.
Die Untersuchungsgebiete bilden zwei kleine benachbarte Einzugsgebiete im östlichen Kaiserstuhl, der sich als vulkanischer Gebirgsstock aus der südlichen Oberrheinebene erhebt. Seine Hänge sind zu großen Teilen mit Löß bedeckt. In der landwirtschaftlichen Nutzung herrscht der Weinbau vor. Hier haben Rebflurbereinigungen in den 70er Jahren dieses Jahrhunderts die neuen Landschaftsformen der Großterrassen geschaffen. Welche Auswirkungen diese Eingriffe auf die Entwicklung des Mikroklimas, der Bodenstruktur, des Abflusses und der Weinbauökologie haben, wurde in den Folgejahren kontrovers diskutiert und aus verschiedenen Forschungsansätzen heraus betrachtet. Die hier untersuchten Einzugsgebiete zeigen bis auf ihre unterschiedlichen Terrassierungsformen einen ansonsten vergleichbaren physiographischen Bestand. Das kleinterrassierte Einzugsgebiet Rippach umfaßt eine Fläche von 1,2 km2, das durch Großterrassen umgelegte Gebiet Löchernbach eine Fläche von 1,7 km2. Beide Einzugsgebiete liegen im Löß und werden landwirtschaftlich intensiv genutzt.
Als hydrologische Daten wurden der tägliche Niederschlag und die Abflußwerte herangezogen, die über einen Zeitraum von 15 Jahren in den beiden Untersuchungsgebieten ermittelt worden waren. Die experimentellen Untersuchungen umfaßten wöchentliche Proben von Fließwasser, Grundwasser, Drainagen und Niederschlag, die über 14 Monate hinweg kontinuierlich gezogen wurden. In den bestehenden Pegelstationen am Rippach und Löchernbach wurden zwei zusätzliche automatische Probenahmegeräte installiert, um Bachwasserproben in vierstündigen Intervallen zu erhalten.
Die Untersuchungen zu den Einzelereignissen deuten darauf hin, daß das Ereigniswasser oder "neue Wasser" einen Anteil von bis zu 90 % am Gesamtabfluß hat. Dies steht im Widerspruch zu früheren Untersuchungen. Besonders hervorzuheben ist, daß ein bedeutender Makroporenabfluß das Bachwasser noch 500 Minuten nach Ende des Ereignisses dominierte. Dies bestätigt den beachtlichen Beitrag des Makroporenabflusses zur Abflußbildung.
Die langfristigen Untersuchungen über ein Jahr zeigen auf, daß der Gesamtabfluß im kleinterrassierten Einzugsgebiet zu 92 % und im großterrassierten zu 83 % aus "altem" bzw. Vorereigniswasser gebildet wird. Die Kombination der Traceranwendung von Sauerstoff-18 und Chlorid erlaubte die Trennung des schnellen Interflow. Diese Komponente konnte im kleinterrassierten Einzugsgebiet vernachlässigt werden, während sie im großterrassierten Einzugsgebiet durch den Makroporenabfluß der zahlreichen Drainagen 8 % betrug. Die Verweilzeiten des Grundwassers von 1,71 bzw. 1,75 Jahren für die beiden Einzugsgebiete wurden mit Hilfe eines Dispersionsmodells bestimmt und weisen auf eine Gesamtspeicherkapazität in der Größenordnung von 1085 bzw. 1235 mm im Jahresdurchschnitt hin. Das Verhältnis zwischen Sommer- und Winterinfiltrationskoeffizient liegt im großterrassierten Einzugsgebiet bei einem Wert von 0,68. Das kleinterrassierte Gebiet zeigt hingegen mit einem Wert von 0,98 eine fast ausgeglichene Situation.
Durch Anwendung des DIFGA-Modelles, einem kontinuierlichen Ganglinenseparationsverfahren, wurde der Abfluß in drei bzw. vier Komponenten separiert. Verglichen mit den Ergebnissen der Isotopenuntersuchungen liegt der Anteil des indirekten Abflusses am Gesamtabfluß mit 84 % im kleinterrassierten Einzugsgebiet in einer plausiblen Größenordnung. Jedoch wird der entsprechende Wert im großterrassierten Einzugsgebiet um 19% unterschätzt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Hauptgrund ist der nicht-lineare Speicher in diesem Einzugsgebiet.
Das Speichervolumen von 9 mm im großterrassierten Einzugsgebiet, das mit Hilfe des DIFGA-Modelles ermittelt wurde, ist um zwei Ordnungen kleiner als dasjenige, das die Analyse der Isotopendaten liefert. Dieser bemerkenswerte Unterschied kann mit Hilfe des Konzeptes der sogenannten Energiespeicher entsprechend des beweglichen Wassers erklärt werden, was darauf hinweist, daß das aktive bewegliche Wasser in diesem Einzugsgebiet nur gering vertreten ist. Diese Tatsache ist vor allem eine Folge der Bodenzerstörung durch Baumaschinen.
Es zeigt sich, daß graphische und isotopische Methoden unterschiedlichen Rahmenbedinungen unterliegen. Während die erste erklärt, wie schnell Wasser fließt (Antwortzeit), erklärt die zweite, wie lange Wasser im Einzugsgebiet verweilt (Verweilzeit). Die Kombination beider methodischen Ansätze ergibt folgendes Bild: Wasser wird für eine lange Zeit in den Einzugsgebieten zurückgehalten, bevor es schnell durch den Piston-Flow-Effekt verdrängt wird. In diesem Zusammenhang spielt auch der kapillare Aufstieg im Löß eine große Rolle.
Die Sensitivitätsanalyse des Zwei-Komponenten-Modells weist darauf hin, daß die korrekte Berechnung der Input-Daten für langftistige Untersuchungen von großer Bedeutung ist. Die Anwendung des Piecewise Linear Baseflow für älteres Wasser ist geeignet für die langfristige Separation. Die Sensitivitätsanalyse der kurzfristigen Untersuchung zeigte, daß die Ermittlung der elektrischen Leitfähigkeitwert für Ereigniswasser von großer Wichtigkeit ist. Die direkte Anwendung der elektrischen Leitfähigkeitwerte des Niederschlags für Ereigniswasser kann den direkte Abflußanteil am Gesamtabfluß bis zu 13 % an den hier untersuchten Einzugsgebieten unterschätzen. Diese Unterschätzung in anderen Einzugsgebieten mag noch höher liegen.

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