Freiburger Schriften zur Hydrologie
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Freiburger Schriften zur Hydrologie ] [
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Band/volume 1: DEMUTH S. (1993):
Untersuchungen zum Niedrigwasser in West-Europa
Die
vorliegende Studie hatte zum Ziel, durch methodische Untersuchungen zum
Niedrigwasser und durch Entwicklung regionaler Übertragungsfunktionen
in West-Europa, Planungsgrundlagen für die Nutzung des Wasserdargebots
zu liefern. Hierzu diente die FREND-Datenbank als Datengrundlage und wurde
während dieser Untersuchung um neue hydrologische Zeitreihen erweitert.
Die Untersuchung und Weiterentwicklung der Methode zur Basisabflußabschätzung
(Kille-Wundt) führte zur Einführung und Anwendung einer neuen Methode (Demuth-Methode)
der Basisabflußabschätzung. Die Anwendung auf verschiedene geographische Regionen im
Untersuchungsraum ergaben zwei Typen von sogenannten 'Dauerlinien': Typ I S-förmig, Typ
II parabolisch. Einzugsgebiete der Kategorie II sind besonders in den reliefarmen Gebieten
der Niederlande, Schweden und Finnland zu finden. Gebiete mit ausgeprägten
Reliefunterschieden, wie z.B. in Norwegen, Großbritannien, Belgien, der Bundesrepublik
Deutschland und der Schweiz, ergaben 'Dauerlinien' der Kategorie I. Das Demuth-Verfahren
läßt sich ausschließlich auf Einzugsgebiete der Kategorie I anwenden, weil bei einer
parabolischen 'Dauerlinie' (Typ II) die Abtrennung des Basisabflusses über eine
schrittweise lineare Regression nicht zulässig ist. Weitere Untersuchungen in
Baden-Württemberg haben gezeigt, daß dieses Verfahren gerade in reliefbetonten Gebieten
gute Anwendungsmöglichkeiten bietet, und bestätigen somit die Erfahrungen aus den
Untersuchungen mit den kleinen Versuchsgebieten.
In der Anwendung auf kleine Untersuchungsgebiete konnte gezeigt werden, daß die
Variabilität des Basisabflusses vorwiegend durch die Geologie, den Boden und klimatische
Faktoren bzw. geographische Lage bestimmt wird. Dabei hat sich der Einfluß des Klimas und
insbesondere der des Niederschlags, als entscheidender Faktor für die Bestimmung der
Höhe des Basisabflusses innerhalb des gesamten Untersuchungsraums West-Europa,
herauskristallisiert. Diese Tatsache wird durch die regionale Studie in Baden-Württemberg
im wesentlichen bestätigt, wobei sich hier noch ein weiterer Aspekt ergeben hat. Der
Basisabfluß hängt nicht nur von den Eingangsgrößen Niederschlag und Relief ab, sondern
ist auch an die Exposition des Einzugsgebietes gekoppelt. Dieser Expositions-Effekt tritt
deutlich auf den Leeseiten des Süd- bzw. Nordschwarzwaldes auf, wo die Basisabflüsse
wieder abnehmen.
Die Entwicklung und Anwendung eines rechnergestützten, automatisierten Verfahrens zur
Ermittlung der mittleren Trockenwetterauslauflinie des Basisabflusses führte zu den
beiden neuen Methoden DEREC1 und DEREC2. Beide Methoden beruhen auf einem exponentiellen
Modell. Die Berechnung der Parameter (Startwert und Rezessionskonstante) der mittleren
Auslaufkurve erfolgt über die arithmetische Mittelung der einzelnen Auslaufkoeffizienten
und der Startwerte (DEREC1). Bei der Anwendung dieser Methode auf kleine Einzugsgebiete in
West-Europa stellte sich heraus, daß besonders die Auslauflinien mit kurzer Dauer zu
stark gewichteten und somit zu steileren Trockenwetterauslauflinien führten. Deshalb
wurde eine robustere Methode entwickelt (DEREC2), die auf einer zweifachen
Verschiebungsprozedur beruht. Damit wird gewährleistet, daß die kürzeren Auslaufäste
weniger gewichtet werden, wodurch insgesamt flachere Trockenwetterauslaufkurven erzeugt
werden. Im Gegensatz zur Anwendung auf kleine Einzugsgebiete in West-Europa konnte jedoch
bei einer detaillierten Untersuchung in Deutschland dieser Gewichtungseffekt nicht
bestätigt werden, so daß das ursprüngliche einfache Konstruktionsprinzip für den
operationellen Einsatz weiterhin als gut einsetzbar gelten kann.
Bei der Untersuchung des Einflusses unterschiedlicher Startwerte auf die mittlere
Trockenwetterauslaufkurve des Basisabflusses ergibt sich kein Hinweis auf die Beteiligung
einer schnellen Komponente; somit konnte die Auswahl des mittleren langjährigen Abflusses
MQ als Startwert für befriedigend angesehen werden. Der Vergleich mit den Ergebnissen des
neu entwickelten Separations-Modells (DIFGA), das auf physikalischen Prinzipien beruht,
könnte die vorliegenden Ergebnisse absichern oder ergänzen.
Die Untersuchung der Auswirkung unterschiedlicher Dekaden auf die Halbwertszeit der
Trockenwetterauslaufkurve hat gezeigt, daß sich die mittleren Auslaufkurven nicht
regelhaft in den einzelnen Dekaden unterscheiden. Vielmehr lassen sich für die
Sommerperiode in nahezu 75% der Gebiete Abweichungen feststellen, die kleiner als vier
Tage betragen, so daß generell davon ausgegangen werden kann, daß sich die Methode zur
Bestimmung der mittleren Trockenwetterauslaufkurve für die Sommerperiode relativ robust
gegenüber der ausgewählten Dekade zeigt und konstante Werte liefert.
Die Untersuchung der Trockenwetterauslauflinie und Klassifikation der
Auslaufkoeffizienten auf der Basis chronologisch-geologischer Gruppen hat gezeigt, daß
die von verschiedenen Autoren genannten großen Schwankungsbereiche für unterschiedliche
chronologisch-geologische Gruppen nicht bestätigt werden konnten. Vielmehr zeigen die
Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung, daß sich Schwankungen im Speicherglied bei
langjähriger Betrachtung auf geringe Spannweiten einpendeln.
Die Untersuchung empirischer Beziehungen zwischen den in Kapitel 5 entwickelten
Niedrigwasserkennwerten und den in Kapitel 4 genannten physiographischen Gebietsmerkmalen
auf der Basis kleiner Untersuchungsgebiete hatte zum Ergebnis, daß zwar das Konzept der
globalen Modelle richtig ist, jedoch regional-typische Gebietseigenschaften bei kleineren
Regionen berücksichtigt werden müssen.
Auf der Basis kleiner Untersuchungsgebiete wurden mit Hilfe der multiplen
Regressionsanalyse Beziehungen zwischen den beiden Niedrigwasserparametern Basisabfluß
und Rezessionskonstante und den physiographischen und klimatischen Gebietsmerkmalen für
den Untersuchungsraum West-Europa aufgestellt. Dabei hat sich gezeigt, daß sich kleine
Untersuchungsgebiete nicht nur für Prozeßstudien eignen, sondern auch ein weiteres
wichtiges Hilfsmittel gerade für regionale Untersuchungen sein können.
Im globalen Modell wurde 81% der Varianz des Basisabflusses durch die mittlere Höhe des
Einzugsgebietes, die Gewässernetzdichte und den mittleren jährlichen Niederschlag
erklärt. Die Hinzunahme des Base Flow Index (BFI) als weiteren geologischen Index neben
der Gewässernetzdichte, brachte eine Verbesserung der Schätzung um 6%. Die
Auslaufkonstante wurde jedoch nur unvollständig durch die physiographischen und
klimatischen Gebietsmerkmale beschrieben.
Untersuchungen der Residuen zeigten, daß das globale Modell den Basisabfluß mit
erheblichen regionalen Unterschieden im allgemeinen unterschätzt. Die räumliche
Verteilung der Gebiete mit geringen und hohen Abweichungen von den beobachteten
Basisabflüssen zeigt, daß besonders die Basisabflüsse der finnischen Gebiete stark
unterschätzt werden. Gute Schätzungen wurden hingegen auf dem Kontinent erzielt, wobei
der Basisabfluß in küstennahen Gebieten ebenfalls unterschätzt wurde. Dieses Ergebnis
ist ein Hinweis auf die Notwendigkeit, regional-typische Gebietsmerkmale in
Übertragungsfunktionen einzubauen.
Die Regressionsanalyse wurde daher für 17 finnische Einzugsgebiete wiederholt. Dabei
wurden zusätzliche Gebietsmerkmale, insbesondere Landnutzungsparameter (Waldanteil,
Mooranteil, Anteil der landwirtschaflichen Nutzfläche, ein Bio-Index) in das Modell
einbezogen. Dadurch konnte das Ergebnis der Schätzung deutlich verbessert werden: 94% der
Varianz des spezifischen Basisabflusses und 88% der Varianz des Auslaufkoeffizienten
wurden durch das erweiterte Modell erklärt. Die Untersuchungen im Südschwarzwald
unterstreichen den Ansatz, regional-typische Gebietsmerkmale in die Regressionsanalyse
einzubinden.
Am Beispiel der Daten aus kleinen Einzugsgebieten konnte außerdem gezeigt werden, daß
die Art der Standardisierung des Niedrigwasserparameters (Basisabflusses) einen
entscheidenden Einfluß sowohl auf die Güte der Schätzung als auch auf die
Zusammensetzung des Modells hat. Ein Einfluß der Länge der Abflußreihe auf das
Regressionsmodell und die Güte der Schätzung konnte jedoch nicht nachgewiesen werden.
Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß beide Variablen, der Basisabfluß und der
mittlere jährliche Niederschlag, sowohl für die Standardreihe als auch für die gegebene
Reihe, ähnliche Variationen aufweisen.
Die Entwicklung der Methode zur Parametrisierung der Geologie zum Einsatz in
Regressionsmodellen führte zur Festlegung des hydrogeologischen Index (GEO). Hierfür
wurde eine Beziehung zwischen den Rezessionskonstanten und den hydrogeologischen
Eigenschaften der Untersuchungsgebiete hergestellt.
Die Entwicklung regionaler Schätzverfahren zur Übertragung des Basisabflusses im
Südschwarzwald und in Baden-Württemberg zeigte, daß der regional-typische Ansatz
richtig ist und daß der hydrogeologische Index (GEO), angewendet in diesem
Schätzverfahren, gute Ergebnisse bei der Abschätzung des Basisabflusses liefert.
Bei der Durchführung einer umfassenden Literaturstudie zum Stand der Regionalisierung
im Niedrigwasserbereich konnte festgestellt werden, daß in 120 unterschiedlichen
Übertragungsmodellen 47 verschiedene Gebietsmerkmale verwendet wurden. Hiervon traten 10
Gebietsmerkmale besonders häufig auf, wobei deren Gewichtung abhängig von der jeweiligen
Zielgröße war. Darüberhinaus konnte festgestellt werden, daß der
Niedrigwasser-Regionalisierung eine Mittelstellung zwischen der Mittelwasser- und der
Hochwasser-Regionalisierung zukommt, wobei bei der Regionalisierung von
Mittelwasserkenngrößen die klimatischen Gebietsmerkmale einen größeren Einfluß haben
und bei der Hochwasser-Regionalisierung die physiographischen Merkmale dominieren.
Während der Phase der Datensammlung, besonders für kleine Einzugsgebiete zeigte sich
deutlich, daß eine Unterscheidung zwischen kleinen Untersuchungsgebieten aus den
nationalen Meßnetzen (Experimentier- bzw. Repräsentativ-Gebiete), und Gebieten, die von
einzelnen Forschergruppen betreut werden, nicht getroffen werden kann. Es wurde daher
festgelegt, die Einzugsgebiete aufgrund ihrer Datenqualität und nicht nach der
Terminologie auszuwählen. Dies führte zum Einbinden von Stationen mit guter
Datenqualität in eine Datenbank 'Kleine Einzugsgebiete'. Dadurch konnten in einigen
Ländern geographische Lücken im Stationsnetz geschlossen werden. Weiterhin war es nicht
möglich, Forschungsgebiete und Gebiete aus den nationalen Meßnetzen aufgrund ihrer
Einzugsgebietsgröße zu unterscheiden, obwohl in der Praxis die meisten Forschungsgebiete
kleiner als 40 km2 sind. Dies hing vorwiegend damit zusammen, daß die Forschungsgebiete
in der Regel für Prozeßstudien und nicht für regional-hydrologische Untersuchungen
eingerichtet worden waren.
Während des Transfers von Daten aus kleinen Forschungsgebieten, zeigten sich
darüberhinaus große Unterschiede in der Verwaltung von hydrologischen Daten in den
verschiedenen Ländern des Projektgebietes. In einigen Fällen war es sehr schwierig,
selbst grundlegende Daten, wie z.B. tägliche Abfluß- und Niederschlagswerte, zu
erhalten. Um einen schnellen, reibungslosen Austausch von Daten aus kleinen
Einzugsgebieten in Zukunft zu gewährleisten, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt
sein:
-
Aufforderung der Betreiber von kleinen Forschungsgebieten, die Einzugsgebiete nach den
in FREND entwickelten Numerierungsschemata für Westeuropa zu verschlüsseln, die
täglichen Abflußdaten und Niederschlagsdaten in einer hydrologischen Datenbank abzulegen
und für die weitere Verarbeitung bereit zu halten.
-
Integration kleiner Forschungsgebiete in das amtliche Meßnetz.
Die zweite Empfehlung bietet den Vorteil, daß besonders bei der Datensammlung und der
Aufbereitung die Kontinuität gewährleistet wäre und sich der Zugriff auf eine
einheitliche Datenbank wesentlich vereinfachen würde. Außerdem könnten auch weitere
Untersuchungsgebiete aus den nationalen Meßnetzen, die den Anforderungen eines 'kleinen
Einzugsgebietes' genügen, zur Untersuchung kleiner Einzugsgebiete herangezogen werden.
Der Austausch von hydrologischen Daten zwischen den einzelnen Forschergruppen, die sich
zunehmend in Verbund-Projekten (wie z.B. FRIEND, GEWEX) organisieren, wird gerade in
Zukunft eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben in der
Hydrologie spielen.
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